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Die stille Fehlerkultur: Ungesagte Fehler und ihr hoher Preis für Unternehmen

Wenn ich Unternehmen begleite oder auf Konferenzen über Fehlerkultur spreche, taucht eine Frage immer wieder auf:
„Wie gehen wir mit Fehlern um, die nie ausgesprochen werden?“

Es sind nicht die großen Skandale oder spektakulären Fehlschläge, die Organisationen am meisten kosten. Es sind die kleinen, unscheinbaren Missgeschicke, die niemand benennt. Die E-Mail, die nicht beantwortet wurde. Die falsche Zahl in der Präsentation, die zwar bemerkt, aber nicht angesprochen wird. Die Entscheidung des Vorgesetzten, die alle für falsch halten, aber keiner infrage stellt.

Diese stillen Fehler sind gefährlich – weil sie sich unbemerkt summieren. Genau darüber spreche ich regelmäßig auch als Keynote Speaker für Fehlerkultur – denn es sind nicht die großen „Fuckups“, die Unternehmen lähmen, sondern die ungesagten Kleinigkeiten.

Warum wir Fehler verschweigen

Die meisten Menschen verschweigen Fehler nicht aus böser Absicht. Es geht um Schutz:

  • Angst vor Reputationsverlust: „Wenn ich das jetzt sage, falle ich negativ auf.“
  • Fehlendes Vertrauen: „Ich weiß nicht, wie mein Chef reagieren würde.“
  • Kulturelle Prägung: „Bei uns redet man nicht über sowas.“

So entsteht ein Klima, in dem jeder Einzelne glaubt, es sei besser, zu schweigen. Das Ergebnis: Wissen bleibt liegen, Chancen gehen verloren, und Fehler wiederholen sich.

Der Preis des Schweigens

Ungesagte Fehler sind wie kleine Haarrisse in einem Fundament. Von außen wirkt alles stabil – bis es irgendwann bricht. Ich habe Unternehmen erlebt, in denen monatelang niemand über offensichtliche Probleme sprach. Am Ende war der Schaden so groß, dass er Millionen kostete.

Der Preis lässt sich nicht nur in Zahlen messen. Er zeigt sich auch in:

  • verlorener Geschwindigkeit, weil Projekte ins Stocken geraten,
  • sinkender Innovationskraft, weil niemand mehr wagt, Dinge auszuprobieren,
  • zunehmender Fluktuation, weil Mitarbeitende die Kultur des Schweigens satt haben.

Wie Unternehmen stille Fehler sichtbar machen können

Es reicht nicht, eine Fehlerkultur auszurufen. Entscheidend ist, Räume zu schaffen, in denen auch die kleinen, „peinlichen“ oder unscheinbaren Fehler Platz haben. Drei Ansätze, die sich in meiner Arbeit bewährt haben:

1. Sprachregelungen vereinbaren
Teams profitieren von klaren Ritualen: „Wenn mir etwas auffällt, sage ich ‚Stopp, ich sehe einen Punkt‘ – und wir schauen gemeinsam drauf.“ So wird das Ansprechen entpersonalisiert.

2. Führungskräfte als Vorbilder
Wenn die Chefin offen sagt: „Ich habe gestern eine falsche Entscheidung getroffen, und das hat uns Zeit gekostet“ – dann schafft das Sicherheit für alle anderen.

3. Feedback kultivieren, nicht nur Fehlerberichte
Statt Fehler nur rückblickend zu dokumentieren, sollte Feedback in Echtzeit gefördert werden: kurze, direkte Hinweise im Alltag, die das Schweigen durchbrechen.

Mein Fazit

Eine echte Fehlerkultur erkennt man nicht daran, wie laut über Fehler gesprochen wird, sondern daran, wie leise Fehler behandelt werden.
Wenn ein Team auch die stillen Fehler sichtbar macht, entsteht eine Organisation, die schneller lernt, mutiger handelt und nachhaltiger wächst.

Und genau das ist der Unterschied zwischen einem Unternehmen, das Probleme versteckt – und einem, das Zukunft gestaltet.