In den letzten Jahren sind zwei Begriffe zu echten Buzzwords in Unternehmen geworden: Fehlerkultur und psychologische Sicherheit.
Beide werden oft in einem Atemzug genannt – und manchmal sogar verwechselt.
Doch obwohl sie eng miteinander verbunden sind, bedeuten sie nicht dasselbe.
Als Keynote Speaker für Fehlerkultur erlebe ich in meinen Vorträgen immer wieder, dass Organisationen zwar viel über Fehlerkultur sprechen – aber eigentlich psychologische Sicherheit meinen. Oder umgekehrt. Der Unterschied ist entscheidend, wenn man wirklich Veränderung und Lernfähigkeit im Unternehmen fördern will.
Was ist psychologische Sicherheit?
Der Begriff geht auf die Harvard-Forscherin Amy Edmondson zurück.
Psychologische Sicherheit beschreibt ein Teamklima, in dem Menschen ohne Angst vor negativen Konsequenzen ihre Meinung äußern, Fragen stellen oder Fehler eingestehen können.
Es geht also um die emotionale Grundlage, die Zusammenarbeit ermöglicht.
Typische Anzeichen für psychologische Sicherheit sind:
- Mitarbeitende sprechen offen über Zweifel oder Unsicherheiten.
- Kritik wird als Beitrag zum Lernen verstanden, nicht als Angriff.
- Führungskräfte fördern Neugier statt Kontrolle.
Ohne psychologische Sicherheit traut sich niemand, das Offensichtliche auszusprechen – und genau hier entstehen viele stille Fehler.
Was ist Fehlerkultur?
Fehlerkultur ist die organisatorische Antwort auf psychologische Sicherheit.
Sie beschreibt, wie ein Unternehmen konkret mit Fehlern umgeht – also welche Strukturen, Prozesse und Haltungen das Lernen aus Fehlern ermöglichen.
Eine funktionierende Fehlerkultur zeigt sich daran, dass:
- Fehler offen angesprochen und dokumentiert werden.
- Reflexion Teil des Alltags ist.
- Fehler nicht sanktioniert, sondern analysiert werden.
- Lernprozesse sichtbar sind und zum Handeln führen.
Fehlerkultur ist damit die Praxis, während psychologische Sicherheit die Voraussetzung ist.
Der entscheidende Unterschied
Man kann es sich so vorstellen:
Psychologische Sicherheit ist der Boden. Fehlerkultur ist die Pflanze, die darauf wächst.
Ohne psychologische Sicherheit hat Fehlerkultur keinen Halt – sie bleibt ein Lippenbekenntnis.
Und ohne Fehlerkultur bleibt psychologische Sicherheit ungenutzt – sie schafft Raum, aber keine Bewegung.
Die wahre Stärke entsteht also erst dann, wenn beides zusammenkommt:
- Menschen dürfen Fehler machen (psychologische Sicherheit).
- Organisationen lernen aus diesen Fehlern (Fehlerkultur).
Wie Unternehmen beides verbinden können
1. Führung als Vorbild
Wenn Führungskräfte eigene Fehler transparent machen, entsteht psychologische Sicherheit – und der erste Schritt zu echter Fehlerkultur.
2. Rituale statt Regeln
Wöchentliche „Learnings of the Week“ fördern eine Kultur, in der kleine Fehler sichtbar und besprechbar werden.
3. Mut zur Reflexion
Fehlerkultur entsteht nicht im Aktionismus, sondern in der bewussten Auseinandersetzung: Was wollten wir erreichen – und was haben wir daraus gelernt?
Mein Fazit
Psychologische Sicherheit ist das Gefühl, sich zeigen zu dürfen.
Fehlerkultur ist das System, das daraus Lernen ermöglicht.
Wer beides zusammenbringt, baut Organisationen, die nicht nur reagieren – sondern sich weiterentwickeln.
Und genau darum geht es: Nicht weniger Fehler, sondern mehr Lernfähigkeit.