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Resilienz und Risikokultur: Wie viel Chaos verträgt ein gesundes Unternehmen?

Die meisten Unternehmen lieben Strukturen, Kontrolle und Planbarkeit – und das aus gutem Grund. Aber in einer Welt, in der Unsicherheit zur neuen Konstante geworden ist, stellt sich eine unbequeme, aber essenzielle Frage:

Wie viel Chaos verträgt ein gesundes Unternehmen – und wie viel davon ist sogar notwendig?

Als Keynote Speaker für Resilienz zeige ich in Unternehmen regelmäßig, dass es nicht nur um Durchhaltevermögen oder Stressbewältigung geht. Es geht vor allem darum, wie Organisationen mit Risiko, Fehlern und Nichtwissen umgehen – also mit genau dem, was sie nicht kontrollieren können.

Ordnung ist nicht gleich Sicherheit

Viele Führungskräfte glauben: „Wenn alles klar geregelt ist, sind wir sicher.“
Doch diese Denkweise kann trügen. In stabilen Zeiten funktioniert sie gut – aber in komplexen, dynamischen Umfeldern wird sie schnell zur Illusion.

Denn: Ordnung schützt nicht vor dem Unerwarteten – sie kann es sogar unsichtbar machen.

Ein zu hohes Maß an Kontrolle kann Risiken kaschieren. Das zeigt sich immer wieder in Branchen, in denen Fehler tödliche Konsequenzen haben – etwa in der Luftfahrt, der Medizin oder dem Finanzsektor.

Beispiele aus Hochrisiko-Branchen

Luftfahrt: Redundanz und Fehlertoleranz

In der Luftfahrt herrscht eine der höchsten Sicherheitskulturen weltweit – und dennoch wird mit der Möglichkeit des Scheiterns gerechnet.
Piloten trainieren regelmäßig Extremsituationen, die nie eintreten sollten. Die Systeme sind redundant, das heißt: Sie vertrauen nicht auf Perfektion, sondern auf Resilienz durch Alternativen.

Die Lektion: Nicht Kontrolle, sondern Vorbereitung auf Kontrollverlust macht Systeme widerstandsfähig.

Medizin: Vertrauen und offene Kommunikation

In der Notfallmedizin ist die Lage oft chaotisch. Entscheidungen müssen schnell getroffen werden. Hier zeigt sich: Funktionierende Teams brauchen eine offene Risikokultur. Fehler dürfen benannt werden, Hierarchien müssen durchlässig sein, Kommunikation ist überlebenswichtig.

Psychologische Sicherheit ist hier nicht Luxus, sondern Grundlage für Resilienz.

Finanzwelt: Risiko wird zur Ware

Die Finanzwelt lebt vom Risiko – und zeigt gleichzeitig, was passiert, wenn Kontrollmechanismen versagen (siehe 2008).
Gut aufgestellte Institutionen balancieren zwischen Innovation und Risikomanagement. Der entscheidende Faktor ist nicht das Risiko selbst, sondern die Fähigkeit, es bewusst zu steuern, zu verstehen – und auch zu begrenzen.

Die Kunst der kontrollierten Unordnung

Resiliente Unternehmen sind nicht die, die Chaos vermeiden – sondern die, die mit kontrollierter Unordnung umgehen können.

Das bedeutet konkret:

  • Sie fördern kritisches Denken statt blindem Befolgen.
  • Sie testen Szenarien, bevor sie Realität werden.
  • Sie geben Raum für Fehlerkultur statt Null-Fehler-Illusionen.
  • Sie bauen dynamische Systeme statt statische Prozesse.

Ich frage in Unternehmen oft:

“Wie wird bei Ihnen mit Irritationen umgegangen?”

Wenn die Antwort lautet: “Wir vermeiden sie”, ist das kein Zeichen von Stärke – sondern ein Frühwarnsignal, dass Resilienz fehlt. Denn echte Resilienz braucht Reibung. Sie entsteht im Spannungsfeld von Ordnung und Unordnung.

Fazit: Resilienz braucht Risiko – aber ein kluges

Unternehmen müssen lernen, mit Risiken zu leben, ohne ihnen hilflos ausgeliefert zu sein.
Sie brauchen Strukturen, die flexibel genug sind, um sich anzupassen – und Kulturen, die Fehler zulassen, um daraus zu lernen.

In meinen Keynotes zur organisationalen Resilienz stelle ich genau diese Fragen:

  • Wie sieht Ihre Risikokultur wirklich aus?
  • Welche Art von „Chaos“ fördern Sie – oder vermeiden Sie?
  • Und wie machen Sie Ihr Unternehmen nicht nur robust, sondern wirklich lernfähig?

Denn eines ist sicher:
Wahre Resilienz beginnt dort, wo Kontrolle aufhört – und Verantwortung beginnt.